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JAHRESBERICHT

2024

HAUS HARMONIE

Titelbild: Oliver Dübi, Bewohner Haus Harmonie

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Ein Jahr des Loslösens – von Wegen, Menschen und Momenten

In den vergangenen Jahresberichten durftet ihr einen vertieften Einblick in unsere Tagesstruktur und das alltägliche Leben im Haus Harmonie gewinnen. Im Laufe des Jahres 2024 konnten wir unsere neue Website fertigstellen; ein Ort, an dem ihr entdecken könnt, was uns im Haus Harmonie bewegt, wie wir arbeiten und wie sich unsere Angebote weiterentwickeln.

 

Für diesen Jahresbericht haben wir uns entschieden, den Blick ein wenig zu weiten und den Fokus auf ein Thema zu legen, das uns auf ganz besondere Weise begleitet und geprägt hat: Loslassen/ Loslösen. Es begegnet uns in zwischenmenschlichen Beziehungen, in strukturellen Veränderungen, in inneren Prozessen; bei den Menschen, die bei uns leben, und ebenso in unserem Team. 

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Dieser Jahresbericht wurde vom gesamten Team und einigen Bewohner*innen geschrieben und gestaltet, um euch auf eine Reise mitzunehmen, die nicht immer einfach, aber reich an Erkenntnissen, Wachstum und neuen Perspektiven, war.

 

Unserer Ansicht nach bedeutet Loslassen nicht aufgeben. Es bedeutet, dem anderen und sich selbst Entwicklung zuzutrauen. Es bedeutet, Raum für Bewegung und für Wandel zu schaffen. Und es bedeutet, zu erkennen, dass manche Schritte erst möglich werden, wenn wir nicht länger festhalten.

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Loslassen ist mutig.

Für uns als Co-Leitung war im Jahr 2024 Loslösung ein Prozess der Reifung. 

 

Im Verlauf des Jahres 2024 hat sich das Thema Loslösung in vielen Facetten durch unsere Arbeit und unser Leitungshandeln gezogen. Als Team, das mit Menschen arbeitet, die sich in herausfordernden Lebensphasen befinden, geprägt von psychischen Erkrankungen und Suchtmittelabhängigkeiten, sind wir täglich mit der existenziellen Bedeutung von Bindung, Stabilität und Veränderung, konfrontiert. Umso mehr wurde uns bewusst, dass auch wir als Leitungspersonen Teil solcher Prozesse sind – mit all ihren Ambivalenzen.

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Loslösung ist selten ein linearer oder einfacher Vorgang. Sie ist oft begleitet von Emotionen, Unsicherheiten und der Konfrontation mit eigenen Grenzen. Wir mussten erkennen, dass nicht jede Veränderung auf Verständnis oder Zustimmung trifft und dass auch wir in unserer Rolle als Co-Leitung in Dynamiken hineingezogen werden, die uns fordern, irritieren und manchmal auch überfordern. Gerade dann war es entscheidend, innezuhalten, in uns selbst zu schauen und in einem nächsten Schritt diese Gedanken an die Oberfläche zu bringen und gemeinsam zu reflektieren: Was macht diese Situation mit uns? Wie wollen wir damit umgehen? Und welche Verantwortung tragen wir – für uns, unser Team und unsere Bewohner*innen?

Wir haben im vergangenen Jahr intensiv reflektiert, wie Loslösung gelingen kann, wenn sie nicht freiwillig oder beidseitig gewünscht ist. Wie man Räume schafft, in denen Trennung nicht als Scheitern erlebt wird, sondern als Entwicklungsschritt. Wie wir es ermöglichen können, dass Menschen ihren eigenen Weg gehen – auch wenn dieser Weg nicht mehr mit unserem übereinstimmt. Diese Auseinandersetzungen waren nicht nur arbeitsintensiv, sondern auch emotional herausfordernd. Doch sie waren notwendig.

 

Gerade durch diese Spannungen haben wir an Tiefe gewonnen – als Leitung, als Institution, als Menschen. Wir haben gelernt, unterschiedliche Ansichten auszuhalten, mit Verletzlichkeit umzugehen und gleichzeitig handlungsfähig zu bleiben. Wir haben neue Formen der Kommunikation und Entscheidungsfindung erprobt, um auch in schwierigen Phasen authentisch und transparent zu bleiben. Und wir haben erkannt, dass Loslösung nicht nur den Abschied meint, sondern auch die Verantwortung, die damit einhergeht: Menschen – sei es im Team oder im Betreuungsverhältnis – auf diesem Weg zu begleiten. Und dass diese Wege manchmal auch scheitern dürfen.

 

Loslösung wird uns auch in Zukunft begleiten. Doch sie hat ihren Schrecken verloren. Sie ist Teil eines Reifungsprozesses, der uns zeigt, wie wichtig Klarheit, gegenseitiger Respekt und die Fähigkeit zur Selbstkritik sind. All das stärkt unsere Basis – und letztlich auch unser Angebot für die Menschen, die bei uns wohnen und sich uns ein Stück ihres Weges anvertrauen. Denn Loslösung beginnt im Alltag.

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Loslösung klingt nach innerer Arbeit, nach Veränderung, nach einem bewussten Schritt in eine neue Richtung. Doch bereits im gewöhnlichen Alltag zeigt sich Loslösung in kleinen, auf den ersten Blick unscheinbaren Momenten: beim Aufstehen am Morgen, bei der Körperpflege, beim Reinigen des Fussbodens oder beim Füttern unserer Schweinchen.

 

Loslösung im Alltag bedeutet für unsere Bewohner*innen oft, sich von Vorstellungen zu verabschieden, die sie lange mit sich getragen haben. Es bedeutet, sich auf neue Erfahrungen einzulassen, auf andere Menschen und auf strukturierte Abläufe, auch wenn diese anfangs fremd oder sinnlos erscheinen.

 

Ein Beispiel dafür ist die Reinigung als Teil unserer Tagesstruktur. Im Alltag eines Wohnheims scheint das Thema Reinigung auf den ersten Blick ganz pragmatisch: Böden sollen sauber, Zimmer einigermassen ordentlich sein und die Duschen sollen regelmässig benutzt werden. Doch wer genauer hinschaut, erkennt schnell, dass Reinigung weit mehr als nur ein Ämtli ist. Es ist ein Spiegel von Selbstverantwortung

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Für viele unserer Bewohner*innen ist Reinigung und Hygiene keine Selbstverständlichkeit. Wer lange Zeit mit psychischen Belastungen, Suchtproblematiken oder dem Verlust eines strukturierten Alltags gelebt hat, hat oft auch den Bezug zu grundlegenden Bedürfnissen wie Körperpflege, Hygiene und Ordnung verloren.

Reinigungsaufgaben sind dann nicht bloss Tätigkeiten, sondern Konfrontationen mit der eigenen Geschichte, mit Scham, mit Überforderung oder mit dem Gefühl, keine Kontrolle zu haben.

 

Auch in unserem Atelier sind unsere Bewohner*innen mit der Thematik Loslösen konfrontiert. Es geht nicht nur ums Basteln, Malen oder Gestalten, sondern manchmal auch darum, sich von Leistungsdruck oder Selbstabwertung zu lösen und ohne Druck und Angst Neues auszuprobieren.

 

Für uns als Betreuungspersonen bedeutet dies in der Zusammenarbeit mit unseren Bewohner*innen, genau hinzuhören und hinzusehen. Es bedeutet auch, eigene Vorstellungen davon, wie sauber, richtig oder schön etwas zu sein hat, loszulassen. Was für uns normal oder selbstverständlich wirkt, kann für jemanden anderen eine Zumutung oder eine scheinbar unüberwindbare Hürde darstellen. Loslösung zeigt sich bei uns im Alltag in vielen Formen: Wir lösen uns von Idealen, von Perfektion, von festen Erwartungen. Stattdessen üben wir uns im Kompromiss, im Aushalten von Unvollkommenheit und gleichzeitig darin, Verantwortung nicht einfach abzunehmen, sondern gemeinsam tragbar zu machen. Reinigung beispielsweise wird so zu einem gemeinsamen Aushandlungsprozess:

Wo können wir motivieren, wo zumuten, wo akzeptieren?

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Wenn wir schon von Zumutung sprechen, machen wir jetzt mit euch eine kurze Zeitreise durch unsere Küche. Die Menüs wurden im Jahr 2024 neu angerichtet, und zwar mit Dominic als Küchenleiter, der von Kochen so viel Ahnung hatte wie von Nuklearphysik: nämlich wenig (hat er selbst geschrieben;-)). Unsere Bewohner*innen mussten sich vom Gedanken lösen, dass ein ausgebildeter Koch den Weg weist. Stattdessen traf man sich auf Augenhöhe, erforschte gemeinsam neue Rezepte und lernte zusammen das Handwerk des Kochens auf eine moderne Art und Weise: mit ChatGPT. Die Lernkurve war steil, der Spassfaktor hoch. Zwischen untröstlicher Enttäuschung und euphorischer Verwunderung zauberten wir lauwarmen Gratin mit ziemlich rohen Kartoffeln, aber auch im Mund zergehendes Galloway-Rinds-Ragout. Die Küche wurde zu einem Ort, wo nun ein Leitsatz gross geschrieben steht: Wer nicht scheitert, kocht zu langweilig. Unsere Küche liebt Mut und neue Ideen.

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Mut hatte auch Gabi, unsere Pflegefachfrau. Sie verabschiedete sich von der klassischen Medizin und den vertrauten Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit, wie sie im konventionellen Pflegesystem gelebt werden, um die Bewohner*innen im Haus Harmonie im medizinischen Kontext zu betreuen und begleiten. Wie Loslösung in ihrem beruflichen Alltag aussieht, welche Gedanken sie dabei begleiten und was es bedeutet, alte Rollenbilder loszulassen, teilt sie hier mit euch.

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«Ich komme ursprünglich aus einem Umfeld, in dem alles klar geregelt war. Die Menschen waren kognitiv fit, die Medikationen eindeutig, der Stationsdienst war digital durchgetaktet. Jede Tablette, jeder Tropfen – alles wurde genau nach ärztlicher Verordnung abgegeben. Da war wenig Raum für eigene Einschätzungen oder die Frage: Was braucht der Mensch wirklich?

In der Harmonie habe ich einen radikalen Perspektivenwechsel erlebt und musste viele Ansprüche an meine berufliche Rolle überdenken und teilweise loslassen. Unsere Bewohner*innen sind nicht immer zuverlässig, viele leben mit chronischen Erkrankungen und bemühen sich nicht zwingend um eine Verbesserung ihrer Gesundheit im klassischen Sinne. Man beginnt oft jeden Tag von vorn – oder wie ich gerne sage: Und täglich grüsst das Murmeltier.

 

In gewisser Weise manage ich die Gesundheit unserer Bewohner*innen. Ich begleite sie zu Fachärzten und Fachärztinnen, halte Rücksprache, beobachte, dokumentiere. Aber am Ende ist es nicht meine Gesundheit – es ist ihre. Und manchmal interessiert es mich fast mehr als sie selbst. Mein Kalender ist voll mit Notizen, medizinischen Einträgen und Gedanken, die sonst vielleicht untergehen würden. In diesem Umfeld sind Achtsamkeit, Kontinuität und Beziehungsarbeit meine Werkzeuge. Das Team und die Bewohner*innen verlassen sich auf mich, auf meine Einschätzung, auf meine Kompetenz. Aber ich weiss auch: Ich kann nicht für andere gesund sein. Ich versuche täglich, die Bewohner*innen zu sensibilisieren und vieles ohne Druck vorzuleben. Aber am Ende bleibt es ihre Entscheidung.

 

Wie viel Beziehungarbeit in diesem Berufsfeld bewirken kann, zeigt sich für mich in den kleinen Momenten. Manche Bewohner*innen kommen am Morgen mit auf einen Spaziergang mit mir. Wenn ich nicht dabei bin, bewegen sie sich kaum. Das ist keine grosse medizinische Intervention – aber vielleicht genau das, was ihnen gut tut.»

 

Gabi hat sich von alten Systemen, starren Regeln und medizinischer Strenge gelöst – und eine Form von Pflege gefunden, die Beziehung über Routine stellt, Menschlichkeit über Kontrolle und echtes Hinschauen über blosse Protokolle. 

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Doch nicht nur Gabi und das Team setzen sich mit gesundheitlichen Herausforderungen auseinander, sondern auch unsere Bewohner*innen.

 

«Es ist halt so wie es ist. Älterwerden macht alles schwieriger.» Wenn Claudio, der schon seit vierzehn Jahren in der Hamonie wohnt, von Loslösen spricht, dann geht es schon längst nicht mehr um die Loslösung von vergangenem Suchtverhalten.

 

«Ich merke, dass ich vergesslicher werde, mein Körper ist nicht so fit, wie er es früher war. Manchmal bekomme ich Aufgaben, die ich vergesse - dann putze ich die erste Hälfte des Zimmers und vergesse die zweite. Das gehört zum Älterwerden dazu. Im Haus Harmonie bin ich sehr gut aufgehoben. Die Bewohner und Betreuenden kennen mich und reagieren immer sehr nett: "Hey Claudio, hättest du nicht noch das und das und so weiter..". Hier will mir niemand etwas Böses. Ich darf so sein, wie ich bin, ohne mich schlecht fühlen zu müssen. 

Es ist okay, wenn man älter wird. Ich weiss, dass ich alleine nicht mehr leben kann und ich weiss, dass ich das auch nicht will. In der Harmonie bin ich zuhause und hier möchte ich bleiben. Ich erinnere mich daran, dass ich früher im Gartenteam gearbeitet habe. Unkraut jäten und Rasen mähen. Heute habe ich zu wenig Energie dafür. Heute geniesse ich es, wenn ich am Morgen mit anderen Bewohnern im Atelier bin. Ich male vorgezeichnete Bilder aus, unterhalte mich mit den Leuten und rauche ab und zu eine Winston.

 

Loslösen heisst für mich persönlich, dass ich alte Vorstellungen und Wünsche aufgeben muss. Dinge, die ich im Alter nicht mehr machen kann, weil mein Körper nicht mehr der jüngste ist. Ich habe nicht mehr die Kraft, die ich mal hatte. Probieren soll man es trotzdem immer wieder. Älterwerden ist nichts Schlimmes. Es ist halt einfach so. Jedem geht es so."

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Wir hoffen, dass Claudio noch lange in seinem Zuhause bleiben kann. Denn manchmal wird Nähe auch zur Verantwortung. Manche Loslösungen fordern uns besonders heraus – emotional, fachlich und organisatorisch. Ein Beispiel dafür war der Abschied von einem langjährigen Bewohner, der über ein Jahrzehnt Teil der Harmonie war. Für ihn war das Wohnheim mehr als ein Ort zum Leben: Es war sein Zuhause, seine Mitbewohner*innen seine Freund*innen und die Betreuer*innen seine engsten Bezugspersonen. Diese tiefe Verbundenheit war für ihn wie ein Anker nach einem Leben mit vielen prägenden Schicksalschlägen. Doch mit der Zeit wurde deutlich, dass seine gesundheitlichen Bedürfnisse die Möglichkeiten unserer Institution überstiegen und so wurde es notwendig, eine neue Lösung zu finden.

 

Der Entscheidungsprozess war kein einfacher. Im Team herrschte keine einheitliche Meinung darüber, wann der richtige Zeitpunkt für den Wechsel gekommen sei. Auch der Bewohner selbst konnte sich nur schwer vorstellen zu gehen. Wie für Claudio war die Harmonie auch sein Zuhause. Es war ein langer Weg – geprägt von Gesprächen, Zweifeln und der Suche nach einer passenden Anschlusslösung in seinem früheren Wohnkanton zu welchem er keinerlei Bezug mehr hatte. Wir mussten uns nicht nur mit fachlichen Fragen auseinandersetzen, sondern auch mit unseren eigenen Emotionen:

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Wie begleiten wir jemanden, der gehen muss, aber nicht will? Wie viel Nähe dürfen und sollen wir in der Zeit danach noch zulassen? Wieviel Begleitung ist hilfreich und wann beginnt sie, die neu entstandene Autonomie zu untergraben?

 

Diese Fragen haben uns intensiv beschäftigt. Gemeinsam entschieden wir, den Übergang mit Bedacht zu gestalten: nicht abrupt, aber konsequent. Wir haben abgewogen, wie wir erreichbar bleiben können, ohne die Loslösung zu verhindern. Wir haben diskutiert, ob und wie oft wir ihn anrufen oder besuchen sollen oder ob es an ihm sein sollte, den Kontakt zu suchen. Diese Balance zu finden war ein Prozess des Lernens – und ein Spiegel unserer Haltung: mitfühlend, aber nicht übergriffig.

 

Heute können wir mit Dankbarkeit sagen: Es war der richtige Schritt. Der Bewohner hat in seiner neuen Umgebung die medizinische Unterstützung gefunden, die er braucht, und sich gut eingelebt. Zu wissen, dass es ihm gut geht, hat auch uns beim Loslassen geholfen. Die Erfahrung hat uns gezeigt, wie herausfordernd, aber auch wie bedeutsam und würdevoll Loslösung gestaltet werden kann. Wie auch im nachfolgenden Fall.  

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Es ist ein sonniger Frühlingstag. Hampä parkt sein Motorrad vor der Harmonie, tritt mit einem Lachen zur Tür hinein und begrüsst uns mit einem seiner üblichen Sprüche: «Wenns e gratis Ässe git, chumi immer gärn vrbi». Doch heute ist es nicht nur ein Essen. Der sonst eher wortkarge und pragmatische Hans - Peter, von allen liebvoll «Hampä» genannt, erzählt für diesen Jahresbericht einen Teil seiner Lebensgeschichte.

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«Meine Geschichte beginnt etwas holprig. In den 80er Jahren. Drogen waren in. Vor allem Heroin. Wir haben konsumiert und gesoffen- alles, was wir bekommen konnten. Weshalb? Keine Ahnung. Hat man halt so gemacht. Einige sind gestorben, andere wieder weggekommen von dem Zeugs. Ich habe es während mehr als zwanzig Jahren so gemacht. Irgendwann konnte ich nicht mehr allein leben. Ich wurde in ein Wohnheim gebracht. Irgendwo im Kanton Solothurn. Den Namen weiss ich nicht mehr. Ich war dort nicht willkommen. Zu viele Drogen konsumiert, gesoffen und andere Fehler gemacht. Und so landete ich eines Tages hier in der Harmonie. 

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Am Anfang hatte ich meinen Konsum noch nicht im Griff. Harte Drogen gehörten zu meinem Alltag, aber das grösste Problem war der Alkohol. Ich wollte gerne an der Tagesstruktur teilnehmen, doch manchmal war ich morgens noch zu betrunken, um den Tag richtig zu beginnen. Ich wurde vom Team hier unterstützt, kontrollierter zu trinken- mit Erfolg. Ein gutes Jahr lebte ich im Haupthaus, dann wechselte ich in eine begleitete Wohnung. Damals konsumierte ich immer noch – weniger vielleicht, aber ein klares Ziel hatte ich nicht. Ich wollte einfach eine eigene Wohnung, ein Stück normales Leben. Das grosse Loslassen kam erst später, ganz langsam, Schritt für Schritt.

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Mit der Zeit wurde mir meine Freiheit immer wichtiger. Ich begann zu spüren, dass da mehr sein könnte. Der Gedanke, meinen Motorradführerschein wiederzuerlangen, setzte etwas in Bewegung. Es war mehr als nur der Wunsch, Motorrad zu fahren – es war die Sehnsucht, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Ich sparte Geld, arbeitete draussen auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Und irgendwann liess ich auch den Konsum los. Als ich wieder auf dem Motorrad sass, war das für mich ein Stück Freiheit – und der Beweis, dass Veränderung auch für Menschen wie mich möglich ist. Im Wohnheim hatte ich gute Menschen an meiner Seite. Sie haben mich begleitet, aber nie gedrängt. Es war eher wie ein sicheres Netz, das mich hielt, solange ich die Unterstützung brauchte. Irgendwann sassen wir nur noch bei mir Zuhause zusammen und plauderten über Gott und die Welt. Und dann kam der Moment in welchem wir gemeinsam beschlossen: Es ist Zeit loszulassen. 

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Heute geniesse ich mein Leben in vollen Zügen. Ich arbeite, verbringe Zeit draussen. Ich habe wieder einen guten Kontakt zu meinen Eltern, die mir früher geholfen haben und heute auf meine Unterstützung zählen. Mein Vater wird bald 90 Jahre alt. Ich helfe ihnen im Garten, im Haus – überall, wo ich gebraucht werde. Mein nächstes Ziel ist die eigenständige Verwaltung meines Geldes. Meine Beiständin unterstützt mich dabei, mich jetzt auch von ihr zu lösen. 

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Ich bin jetzt unabhängig. Was das für mich bedeutet? Ich muss nicht mehr auf den Bus warten – ich fahre einfach los, wohin ich will. Manchmal auch in die Harmonie.»

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Mit diesem Stichwort kehren wir zurück in den Alltag der Harmonie; die Reise durch das Jahr 2024 geht zu Ende – ein Jahr voller Begegnungen, Entwicklungen und stiller Momente im Haus Harmonie. Wir haben Einblicke geteilt: in das Leben von Menschen, die wir ein Stück ihres Weges begleiten durften und dürfen, in die Gedanken und Haltungen unseres Teams, in die kleinen Momente des Alltags und die grossen Schritte der Veränderung.

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Vielleicht habt ihr euch an der einen oder anderen Stelle selbst wiederentdeckt – in einem Gedanken, in einem Gefühl, in einem Moment des Loslassens.

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Wir danken allen, die sich Zeit genommen haben, unseren Jahresbericht zu lesen. Und wir danken all jenen, die das Haus Harmonie im Jahr 2024 besucht, unterstützt, mitgestaltet und bereichert haben – als Bewohner*innen, Mitarbeitende, Angehörige, Fachpersonen, Vorstandsmitglieder oder Freunde des Hauses. Ihr seid Teil dessen, was Harmonie ausmacht.

Und besonders danken wir euch, liebe Bewohnerinnen und Bewohner.

Alle von euch bringen eine bewegte Vergangenheit mit, geprägt von Brüchen, inneren Kämpfen und Verlusten. Umso bewundernswerter ist es, wie ihr euch immer wieder auf Veränderung einlasst, auf zwischenmenschliche Beziehungen; auf das Leben im Hier und Jetzt mit all seinen Herausforderungen. Loslassen bedeutet für euch oft mehr als nur einen äusseren Schritt. Es ist das Lösen von alten Mustern, von Schuldgefühlen, von Vorstellungen davon, wie man in der heutigen Gesellschaft zu sein hat und manchmal auch von Menschen oder Orten, die euch wichtig waren. Diese Prozesse erfordern Kraft, Vertrauen und manchmal auch das Aushalten von Ungewissheit.

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Wir danken euch für euren Mut, euch euren persönlichen Herausforderungen zu stellen und wir danken euch für euer Vertrauen und eure Offenheit, dass wir euch auf diesen Wegen begleiten dürfen.

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Texte von Hassib Rasuli, Caroline Gerster, Gabriele Schöps, Meret Schreiber, Onur Gazel, Dominic Bertschin

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